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Purinhaltige Lebensmittel können die Lebenserwartung drastisch reduzieren, titelten kürzlich einige Nachrichtenportale. Ein erhöhter Harnsäurespiegel durch eine purinreiche Ernährung verkürze die Lebenserwartung um bis zu 11,7 Jahre – so der Befund einer irischen Studie aus dem Jahr 2021. Bei genauer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass die Studie solch einen Schluss nicht zulässt.

Dennoch ist es besonders für Menschen mit Gicht ratsam, auf die Purinzufuhr zu achten. Denn eine purinarme Ernährung hilft, schmerzhaften Anfällen vorzubeugen. Wer ansonsten gesund ist und sich ausgewogen ernährt, muss hingegen nicht befürchten, Purine in schädlichem Maß aufzunehmen.

Was sind Purine?

Purine sind lebenswichtige Verbindungen, die in jeder Körperzelle vorkommen: Die Moleküle sind Bestandteil unseres Erbmaterials, der DNA. Der Körper kann Purine selbst produzieren, außerdem werden sie über die Nahrung zugeführt. Beim Abbau von Purinen entsteht Harnsäure. Nimmt man durch Essen viel Purine zu sich, steigt der Harnsäurespiegel. Das kann verschiedene Gesundheitsrisiken mit sich bringen und zum Beispiel Gicht verursachen.

Entzündetes Großzehengelenk bei Gicht (Schematische Darstellung)

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In welchen Lebensmitteln sind Purine enthalten?

„Wenn Zellen absterben, werden immer auch – im Rahmen der Zersetzung des Erbguts – Purine freigesetzt. Besonders in Fleisch sind viele Purine enthalten“, erklärt Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt an der medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité Berlin. Doch auch in manchen Gemüse- und Obstsorten stecken Purine. Folgende Lebens- und Genussmittel sind besonders purinhaltig:

  • alle Arten von Fleisch, auch Fleischextrakte wie Bratensauce und Wurst
  • Hülsenfrüchte wie Erbsen und Linsen
  • Spinat
  • Spargel
  • Brokkoli
  • Bier und Spirituosen

Zu welchen gesundheitlichen Problemen kann ein erhöhter Harnsäurespiegel führen?

Ein erhöhter Harnsäurespiegel kann Gicht begünstigen. Die Entstehung von Gicht wird nach derzeitigem Kenntnisstand aber kaum von einer purinhaltigen Ernährung allein beeinflusst. Häufig spielen andere Faktoren eine Rolle. So kann etwa die Ausscheidung von Harnsäure durch die Niere beeinträchtigt sein, dazu können Alkoholkonsum, Übergewicht oder Erkrankungen und genetische Veranlagung beitragen. Ein erhöhter Harnsäurespiegel steigert außerdem das Risiko für Harn- und Nierensteine. Doch auch hier gilt: Eine purinhaltige Ernährung allein sorgt in der Regel nicht dafür, dass die Steine entstehen.

Wer sollte auf seine Purinzufuhr achten?

Bei Menschen mit Gicht ist der Harnsäurespiegel eine Art Wasserstandsmeldung der Krankheit: Mitunter geht ein erhöhter Harnsäurespiegel mit einem erhöhten Risiko für einen neuen Schub einher. Wer schon einmal Gicht hatte, sollte laut Kabisch daher unbedingt auf eine purinarme Ernährung achten.

„Das kann dazu beitragen, den Harnsäurespiegel niedrig zu halten, und tatsächlich kann das bei einer vorhandenen Gicht helfen, neue akute Phasen zu verhindern“, sagt Kabisch. Außerdem empfiehlt es sich, Alkohol und fruktosehaltige Lebensmittel zu meiden. Bessern sich durch eine Umstellung der Ernährung die Werte nicht ausreichend, können Medikamente zum Einsatz kommen.

Solange man aber keine bekannte Gichterkrankung hat und auch keine Nieren- und Harnsteine, brauche man nicht speziell auf die Purinzufuhr zu achten, sagt Kabisch. Abgesehen davon gilt: Wenn man die gängigen Ernährungsempfehlungen beachtet und zum Beispiel den wöchentlichen Fleischkonsum begrenzt, hält man die Menge an Purin ohnehin auf einem normalen Maß.

Die Studie weist ein Problem auf, das leider die allermeisten größeren Studien in Bezug auf Ernährung aufweisen: Es ist eine Beobachtungsstudie

Wie ist das Ergebnis der Studie über Purin zu bewerten?

Wie viel Harnsäure im Körper ist, lässt sich im Blut messen:

  • Bei Männern gelten Werte zwischen 3,6 und 8,2 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) als normal – das entspricht umgerechnet einer Konzentration von 214 bis 244 Mikromol pro Liter (μmol/l).
  • Bei Frauen liegt der Normalwert zwischen 2,3 und 6,1 mg/dl, was einer Konzentration von 137 bis 363 μmol/l entspricht.
  • Von einem erhöhten Harnsäurespiegel oder einer Hyperurikämie spricht man, wenn der Wert im Blut mehr als 6,5 mg/dl oder 390 μmol/l beträgt.

Die Forscher und Forscherinnen aus Irland haben die Daten von 26.500 Menschen mit teils erhöhten Harnsäurespiegeln analysiert. Das Ergebnis: Bei Männern, deren Harnsäurekonzentration mehr als 535 μmol/l betrug, verkürzte sich die Lebenserwartung um bis zu 11,7 Jahre im Vergleich zu jenen mit niedrigeren Werten. Bei Frauen mit einem Harnsäurespiegel von mehr als 416 μmol/l verkürzte sich die Lebenserwartung im Vergleich zu den Frauen mit niedrigeren Werten um durchschnittlich sechs Jahre.

Wirkt eine erhöhte Purinzufuhr also tatsächlich lebensverkürzend? „Nein, diese Aussage lässt sich anhand dieser Studie nicht treffen“, sagt Kabisch. „Die Studie weist ein Problem auf, das leider die allermeisten größeren Studien in Bezug auf Ernährung aufweisen: Es ist eine Beobachtungsstudie.“ Beobachtungsstudie bedeutet, dass lediglich ein Zusammenhang beobachtet wird.

„Ob aber tatsächlich die erhöhte Purinzufuhr oder etwas ganz anderes oder – das ist am wahrscheinlichsten – eine ganze Reihe anderer Faktoren zu einer verringerten Lebenserwartung führen, das weiß man nicht“, so Kabisch. So könne es etwa sein, dass diejenigen mit dem erhöhten Harnsäurespiegel vermehrt Fleisch essen – was wiederum im Durchschnitt mit häufigerem Alkohol- und Tabakkonsum sowie zu wenig Bewegung einhergeht. Welcher dieser Faktoren oder ob ganz andere Faktoren hauptverantwortlich sind für die geringere Lebenserwartung, lässt sich aus der Studie nicht ableiten.

Laut Kabisch kann außerdem Fruchtzucker (Fruktose) dazu führen, dass der Harnsäurespiegel steigt. Führt man dem Körper übermäßig Fruktose zu – etwa durch mehr als zwei Portionen Obst am Tag oder dem häufigen Verzehr von Limonaden oder Fertiggerichten – sei das meist nicht gesund. „Und eine ungesunde Ernährung geht natürlich auch wieder mit einer Verringerung der Lebenserwartung einher – in diesem Fall ganz unabhängig von der Purinzufuhr“, sagt Kabisch. Sein Fazit: „Die Studie lässt zu alldem keine Aussagen zu“.


Quellen:

  • Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten e. V. (BDI): Gicht: Risikofaktoren. internisten-im-netz: https://www.internisten-im-netz.de/... (Abgerufen am 09.05.2024)
  • Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten e. V. (BDI): Harnsäure. internisten-im-netz: https://www.internisten-im-netz.de/... (Abgerufen am 09.05.2024)
  • Browne LD, Jaouimaa FZ, Walsh C et al: Serum uric acid and mortality thresholds among men and women in the Irish health system: A cohort study. In: Eur J Intern Med: 01.02.2021, https://doi.org/...
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE): Gut essen und trinken – die DGE-Empfehlungen. https://www.dge.de/... (Abgerufen am 09.05.2024)
  • Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e. V: Gicht: Ursachen, Symptome, Therapie. https://www.rheuma-liga.de/... (Abgerufen am 09.05.2024)